Meine persönliche hitze-relevante Evolution war eine lange. Und führte auch an dünnen Oberteilen aus der Damenabteilung vorbei.
Wobei hitze-relevante Evolution sich wirklich auf die Bekleidung am Oberkörper bezieht, also auf T-Shirts und Konsorten, ob das im Laufe meiner persönlichen Evolution dann auch mal auf entsprechende Oberteile von Kleidern sich bezieht, ist hier jetzt nicht wichtig.
Ich selbst habe mir lange Zeit nur zaghafte Schritte in Richtung der Hitze angepassten Kleidung erlaubt, weil ich mir mit meinem Selbstbewusstsein diesbezüglich lange Zeit im Wege stand. Oder meine jeweilige Lebenspartnerin.
Zu der Zeit, als ich im Winter noch verstärkt offene Hemden über normalen T-Shirts zum Rock getragen habe - also insgesamt mehr Hemden als heute - war mein erster zarter Versuch, angepasstere Kleidung zu testen, dass ich zwei Seidenhemden in der Männerabteilung gekauft habe.
Das war aber mir schon sehr - zu - extravagant, als dass ich sie oft getragen hätte. Aber ein Fortschritt war es.
Dann, so vor 25 Jahren, kam ich auf die Idee, ärmellose T-Shirts zu tragen: Tank Tops. Also das, was für Männer - und längst nicht alle - das Maximale ist, was sie sich an alltäglicher - oder zumeist nur in Sonderfällen von Freizeit - Freizügigkeit erlauben. Es schwirrt in den Köpfen der Männer noch immer das Gedankenkonstrukt umher, dass man entsprechend Muskeln an Armen und Brust bräuchte, um sich so etwas erlauben zu können. Und schwupps - auf einmal lief ich von März bis Oktober vor ca. 25 Jahren nur noch in Tanktops rum.
Und in diesen Anblick verliebte sich auch meine dann langjährige Partnerin. Nach ein paar Jahren erlaubte ich mir, auch Tanktops in der Damenabteilung zu kaufen - möglichst welche, denen man ihre Herkunft nicht direkt ansah. Trotzdem waren die meist dünner und weiter ausgeschnitten. Zu dünn, zu leichtes Material und zu weit ausgeschnitten ging dann aber auch nicht, weil meine langjährige Freundin dann ihren Daumen drauf hatte.
Mit ersten Spagghettis hatte ich dann auch experimentiert, aber da hatte meine bessere Hälfte mich mit Trennung erpresst. Ich trug sie gelegentlich, wenn ich alleine wandern war, oder auch mal alleine in der Stadt bei hochschwüler Hitze - aber auch das wurde mir strikt untersagt. Gleichzeitig schränkte meine Holde den Rahmen meiner hitzeangepassten Kleidung immer mehr ein, dass z.B. irgendwann ein Tanktop beim Essengehen (was man unterwegs ja zwangsläufig mal einmal am Tag macht) nicht mehr fein genug war.
Diese Strömung ihrer Haltung war beeinflusst vom Verhalten und den Einstellungen ihrer Mutter, die auch ihrem Mann immer mehr Vorschriften machte, z.B. dass beim Essen zuhause im Sommer ein T-Shirt nicht mehr gut genug war, sondern er immer ein Hemd tragen sollte, während sie selbst mit den ausgeschnittensten Teilen am Tisch saß.
Zurück zu meiner damaligen Freundin. Sie selbst erlaubte sich auch nicht, hitze-angepasste Kleidung zu tragen in jenem Maße wie das andere Frauen so tun. Auch ihr Höchstes der Gefühle waren Tank Tops und Ausschnitte durften für sie nur begrenzt weit oder tief sein. Mit hineinspielte, dass sie sich selbst als nicht so feminin wirkend fühlte, wie sie das gerne gewesen wäre und sich somit selbst eher einpackte, um ihr empfundenes Defizit zu kaschieren.
Letztlich färbte das auch auf das ab, was mir erlaubt wurde, verstärkt von der Strömung ihrer Mutter.
Diese 13 Jahre blieb ich also so ziemlich auf der Tank-Top-Evolutionsstufe mehr oder minder hängen. Ich war aber immer auf der Suche nach leichten Materialien, auch bei T-Shirts, und war froh, als beim spanischen Anbieter Zara verstärkt auch bei Männer-T-Shirts leichtere, glattere Materialien angeboten wurden. Sowas konnte ich dann auch ganz gut fürs Büro anziehen, wohin es mich in der Zwischenzeit vermehrt verschlagen hat. Und zwar immer dann, bevor die sommerliche Stimmung dann auch Tank-Tops fürs Büro tragbar erscheinen liessen.
Ich sitze nun auf Stapeln solcher T-Shirts, die kaum noch zum Einsatz kommen. Auch unterschiedlichste, weit ausgeschnittene Tank Tops oder sonstige ärmellose Oberteile, die längst nicht immer stadtfein in meinen Augen sind.
Mit bei den Tank Tops (aber auch Shirts) sind Teile, die so vor 10 Jahren mal modern waren: Aus hauchdünnem Flammflax. Da kann man teilweise Zeitung durch lesen. Aufgrund der unregelmäßigen Struktur, auch mit den vielen (gewollten) Knötchen in den Fäden, sind die zwar hauchdünn, aber am Körper nicht wirklich transparent. Ich kaufte da etliche davon - meine langjährige Beziehung war inzwischen vorbei -, leider ohne sie vorher mal im echten Leben zu tragen: nämlich, obwohl sie sehr dünn sind, halten sie unheimlich die Wärme. Das war also ein evolutionärer Ast, der nicht weiter führte.
Ein dagegen eher erfolgreicher evolutionärer Ast war, dass ich mich in die Leibchen verliebt habe, die meine Kolleginnen im Sommer oft trugen: locker sitzende Tank Tops bzw. ausgeschnittene, ärmellose Blusen ohne Kragen, aus Seide oder feingekämmter Baumwolle, oftmals nur mit einem schmalen Träger über die Schulter. Das war für mich eine prima Anschaffung. Zwar trage ich die inzwischen auch kaum noch, aber vor allem, weil die sehr bügelanfällig sind und...
...und weil ich inzwischen an mir Spaghettis erlaube. Spaghettiträger trug ich (während genannter Beziehung nur manchmal heimlich, danach zunächst) nur zum Wandern oder Spazieren, wenn ich alleine unterwegs war. Seit zwei, drei Jahren in dem Dreh trage ich sie auch in Gesellschaft, inzwischen auch in der Stadt ganz selbstverständlich. Und auch zu feineren Anlässen.
Es hat sich niemand von mir abgewendet deswegen. Spaghettis waren in meiner letzten Beziehung zwar auch "als zu heftig" verpönt, wo ich sonst alle anderen möglichen Freizügigkeiten genoss, anfangs ging es noch um die minimale Rocklänge, später auch darum nicht mehr. Und sollte ich eine künftige Beziehung wollen, gehören nun Spaghettis genauso zu mir, wie Hosen zu den Frauen.
Summa summarum: Inzwischen ist mein häufigstes Obenrum im Sommer etwas mit Spaghettis. Die vielen armlosen Hemdchen und Tank Tops brauche ich kaum noch. Und mit normalen T-Shirts oder Polohemden aus der Männerabteilung kannste mich im Sommer jagen!