Gerade erst am Freitag konnte ich es aber zufällig erspähen. Mir kam ein älteres muslimisches Ehepaar entgegen, sehr traditionell gekleidet und die Frau hinter ihrem Mann laufend. Man merkt schon, wie sie versuchten auf meinen Rock zu schauen, ohne dass ich es bemerken soll, indem sie nur ihre Augen, aber nicht den Kopf bewegten.
Ja, dieses scheinbare starr geradeaus Blicken oder gar leicht abgewandte Kopfhaltung, aber mit eifrigen Augenverdrehungen mustern von oben bis vor allen Dingen unten, das kenne ich auch noch besonders aus der Zeit der 80er und 90er Jahre. Von Kindern, von Älteren, meist mehr Frauen als Männer.
Das scheinen wohl bereits die Kleinkinder zu lernen und dürfte eine der ersten weitreichenderen Empathieleistungen im kindlichen Kopf zu sein. Also, das Hineinversetzen in den Kopf eines anderen Beobachters, z.B. der Mutter, aber das hinterhältige Verfolgen des eigenen Willens unter Einsatz der Täuschung. Da wirst Du, Yoshi, wohl mehr dazu sagen können. Das hat man auch bei Krähenvögeln schon beobachtet, die unter Beobachtung ihrer Genossen ein Fundstück, eine Nuss z.B. an irgendeiner Stelle verstecken, aber im unbeobachteten Moment dann doch wieder woanders verstecken. Da ist Augenverdrehen nicht im Spiel, aber das Mittel der Täuschung.
Und dieses starre, vorgetäuschte Nichtgucken, ist die letzten zwei Jahrzehnte in meinem Rockalltag nahezu verschwunden. Früher kam das sehr viel häufiger vor. Vermutlich trauen sich heute die Leute (und Kinder) direkter zu schauen.
Sie standen also schon eine Weile und fühlten sich ertappt, als ich mich umdrehte, denn sie zuckten leicht zusammen. Ich machte mir den Spaß und blieb ebenfalls stehen, schaute sie auch an und nach wenigen Sekunden war es ihnen anscheinend so unangenehm, dass sie ihren Weg fortsetzten.
Ja, das hatte eine Freundin von mir auch immer mal gemacht, das Gaff-Verhalten oder ein sonstiges blödes Reagieren zu imitieren, sozusagen zu spiegeln. Kann man machen, ist aber meiner Meinung nach fast schon eine Erziehungmaßnahme. Mit dem Spiegeln soll das unkorrekte Verhalten der Gaffer bewusstgemacht werden. Falls diese Botschaft ankommt, fühlen die Gaffer sich ertappt oder gar gedemütigt. Wie gesagt, kann man machen, man sich sogar da einen Spaß draus machen. Ergebnis aber ist, dass die Ertappten mit nur noch mehr negativen Gedanken aus dieser Begegnung herausgehen.
Viel besser finde ich, sowas mit einem freundlichen oder gar selbstironischem Lächeln zu begegnen. Bei Eurer Distanz war das natürlich nicht mehr möglich. Je nach Situation und Laune hätte ich an Deiner Stelle eventuell mal mit einem kurzen Winken reagiert. Das Paar hätte sich zwar auch ertappt gefühlt, aber sie hätten da mit dieser eher sympathischen Geste noch eine Portion Freundlichkeit aus der Begegnung mitgenommen.