Naja, es spielt schon mit rein, ins Thema.
Jedenfalls schon spannend, was jeder einzelne so zur Antwort schreibt.
Meine
Antwort war ja lang und vielschichtig. Mein "erstes Mal" gab es ja so gar nicht, sondern war ein langer, zäher Prozess, mit homöopathischen Häppchen.
In meiner langen Antwort schrieb ich zwar viel von "zittrig", "nervös" und "verstecken" (oder so ähnlich), aber eigentlich habe ich die Emotionsebene noch viel zu wenig beschrieben.
Vom ersten Mal vor die Tür gehen im Schutze der Dunkelheit bis zum wirklich frei draussen bewegen auch in meiner Stadt und ohne Heimlichtuerei Anfang der 90er, waren das gut und gerne 12 Jahre ungefähr. Aber bis in die 00er Jahre, also bis vor 20 Jahren, begleitete mich ständig bzw. immer mal wieder,
das Gefühl, etwas Verkehrtes zu machen.
Am wohlsten fühlte ich mich immer im Umgang mit jungen Frauen in meinem Beuteschema. Meinen Freunden, die ich aus Hosentagen noch hatte, wollte ich das lange nicht zumuten. Und bis zum Einzug des Rocks in meine Arbeits- bzw. Studienwelt (was parallel verlief) - und auch da anfangs - hatte ich echt Schwierigkeiten, Männern in die Augen zu schauen.
Zu groß war die Angst, ich könnte in ihnen irgendwelche sexuellen Begehrlichkeiten auslösen. Zu groß war die Angst, sie könnten denken, ich wolle sie sexuell ansprechen. Ganz klar natürlich, dass im Jobumfeld ein ständiges Blickausweichen nicht funktioniert. Das einem-Mann-in-die-Augen-schauen-Können und an nichts weiteres als an den Gesprächsinhalt zu denken - und das, obwohl ich Rock trug -, das musste ich mir wirklich erst antrainieren.
Das erste Mal in einer (wie auch immer definierten) Männergruppe unterwegs zu sein, in der ich als einziger Rock trug (also leider notwendigerweise fast immer, auch mit meinen alten Kumpels), war für eine geraume Zeit immer ein sehr schwammiges Gefühl. Die Angst, die anderen könnten sich in meiner Gegenwart (mit meinem Erscheinungsbild) unwohl fühlen, war doch für eine gehörige Zeitspanne immer mit dabei gewesen. Auch dieses Gefühl abzulegen, brauchte seine Zeit.
Und ich weiss noch, wie ich zuvor jahrelang vermied, auch in den Fußgängerzonen irgendwelchen männlichen Passanten auch nur in die Nähe des Gesichtes zu schauen. Das war schon eine gewisse Art "Menschenscheu", Männerscheu besser gesagt. Stattdessen genossen meine Augen den Anblick von Frauen, die mir auch sehr oft prüfend in die Augen schauten, sehr oft aber fröhlich, erheitert, freundlich mitunter. Da entwickelte ich auch meinen prüfenden Blick, wenn ich an ihnen vorbei war, ob sie sich nach mir umdrehten - und wie oft taten sie das auch, und ich entwickelte ein Gespür dafür, wann der richtige Zeitpunkt ist, um da noch mal die Blicke erneut sich begegnen zu lassen. Auf der einen Seite war ich also "männerscheu", auf der anderen Seite "frauenfreu", oder "frauentreu", oder wie man das nennen will.
Aber von den Frauen, speziell jungen Frauen, gab es ja anfangs auch nicht nur zustimmende Reaktionen, sondern seitwärts aus den Augenwinkeln Mustern, Gesichtverziehen, Kichern, bis hin zu abfälligen Reaktionen gab es Ende 80er / Anfang 90er noch zuhauf. Dennoch überwogen von Frauen die eher wohlgesonnenen Reaktionen, das beruhigte zunehmend mein Innerstes, so dass ich diesen inneren Zwiespalt "unter die Menschen gehen" versus "vor den Menschen fliehen" nach und nach verlor.
Und je mehr dieser Zwiespalt schwand, desto weniger negative Reaktionen erhielt ich auch. Vermutlich hat das was mit der Ausstrahlung zu tun. Strahlt man aus: "Ich sollte das eigentlich alles nicht machen", dann wird man angreifbar. Strahlt man aus: "Am liebsten würde ich jetzt doch nicht hier sein!", dann macht man sich selbst lächerlich.
Strahlt man hingegen aus: "Ich will das und das ist gut so!", dann kommt wohl diese Botschaft auch bei den Menschen / Passanten an.
Und doch dauerte es noch einmal weitere gut 10 Jahre, bis ich anschließend dieses manchmal aufkeimende Gefühl "Ich mach etwas Verkehrtes" völlig ablegen konnte.
Diese vielschichtigen verhärteten inneren Selbstzweifel saßen wie ein Kobold fest im Nacken. Nur durch zunehmendes Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein konnte ich diesen Kobold abschütteln.
Ich wünsche jedem, der das erste Mal im Rock auf die Straße geht, dass er diesen Kobold erst gar nicht im Nacken hat. Und wenn, ich wünsche jedem, dass er während dem ersten Mal diesen Kobold bereits auf immer und ewig abschütteln kann. Heutzutage leben wir in einer völlig anderen Gesellschaft, heutzutage ist das ganz deutlich nicht mehr diese große Nummer wie noch vor 30, 35 Jahren.
Aber dieser Gemischtwarenladen voll von den unterschiedlichsten Gefühlen, zwischen himmelhochjauchzend und "Mein Gott, was hab ich getan!", der begleitete mich nicht nur bei "meinem ersten Mal". Der hatte mich - etwas leerer geräumt - auch noch bei meinem 10.000sten Mal begleitet. Ich bin froh, dass ich niemals kapituliert habe!