Es gibt kaum etwas flüchtigeres als Mode. Schade nur, dass so viele Menschen darin eine Richtschnur sehen. Mein erster Besuch in Paris, 1965, zeigte mir, was Stil ist. Nämlich nicht Mode, sondern Geschmack. Anstatt dem "Zeitgeist" nachzurennen, suche ich die Linie, mit der ich im Einklang bin.
Hm. Alles schön und gut.
JoHa, ich respektiere Deine Aussage, ich sehe das aber differenzierter.
Nach Deiner Aussage scheint wohl "Geschmack" beständiger zu sein als Mode.
Doch, was ist "Geschmack"? Wie wir alle wissen, kann man über Geschmacksfragen trefflich streiten, oder man lässt es sein, weil eben die Geschmäcker verschiedene sind. Da gibt es nun eben die zwei Modi, wie man mit dieser Tatsache umgehen kann.
Wer erkannt hat, dass der eigene Geschmack nicht das Maß aller Dinge für alle und überall ist, der wird sich sicherlich bewusst sein, wenn er von 'Geschmack' redet, dass nur der eigene Geschmack gemeint sein kann.
Wie bildet sich der Geschmack? Nun, da sind ganz viele Gewohnheiten dran beteiligt. Aber nicht nur. Auch Geschmack unterliegt Entwicklungen. Und wie Du schreibst, JoHa, hat sich Dein Geschmack wohl ganz entscheidend damals in Paris gebildet.
An der Geschmacksbildung sind aber auch die typischen Leute in seinem Umfeld beteiligt - und ganz besonders natürlich der eigene Lebenspartner - entweder aktiv oder unterschwellig, entweder bewusst unterschwellig oder - ideal - unbewusst unterschwellig.
Ich denke, auch Dein Geschmack dürfte sich seit den gut fünf Jahrzehnten weiter gebildet, verfestigt, verändert haben.
Wenn Du Deinem Geschmacksempfinden treu bleibst, dann ist das Dein Stil, der wohl deutlich weniger wandelbar ist als die Moden.
Ob man nun Deinen Stil, Dich zu bekleiden, von aussen betrachtet nun auch als einen Dir zugehörigen, eigenen Stil empfindet, sei mal dahingestellt.
Ich für meine Person hingegen tue mir sehr schwer, einen für mich durchgängigen Stil zu definieren.
Das Leichteste, was mir einfällt, ist zu sagen, dass ich jetzt in den durchgängig warmen Sommermonaten so als Stil-Kennzeichen meine, hier für manche vielleicht zum Exzess immer wieder erwähnten Spaghettiträger heranführen kann. Das ist an einem Mann nun wirklich ein sehr einzigartiges Kennzeichen, ein Stil, den kein Mann in meinem Umfeld praktiziert.
Davon aber abgesehen fällt es mir wirklich schwer, eine gewisse Stil-Leitlinie bei meinen Outfits abzulesen. Von aussen betrachtet fällt das vielleicht leichter, ich hingegen behaupte, dass ich sehr variabel mit verschiedenen Stilen umgehe. Zwar schließen sich bei mir bestimmte Stilrichtungen praktisch kategorisch aus, andere Stilelemente häufen sich. Aber eine ziemlich eng umrissene Stil-Schablone scheint es bei mir nicht zu geben.
Und ich lasse mich gerne auch von Mode inspirieren.
Was ist Mode? Mode in Bezug auf Kleidung ist, die Art und Weise, Kleidung zu tragen.
Und die Arten und Weisen, Mode zu tragen ändern sich. Ich will jetzt nicht hinterfragen, was die modetreibenden Kräfte, besonders mit den wirtschaftlichen Motivationen, sind. Jedenfalls steckt in einigen Menschen auch der Drang, nach einer gewissen Zeit mal etwas Neues zu sehen. Das heisst, alleine vom Anwender her, also der kleidungstragenden Person her, ändern sich die Arten und Weisen, etwas zu tragen. Das mögen manchmal minimale Veränderungen sein, manchmal sind es radikalere, für gewöhnlich in den letzten 100, 200 Jahren unterliegt die Welt der Damenbekleidung mehr dem Wandel als in der Welt der Herrenbekleidung. War so, muss aber nicht für immer so bleiben.
Joha, Du sagst: "Es gibt kaum etwas flüchtigeres als Mode." Dem kann ich nicht so ganz zustimmen.Es gibt zwar Moden, die kommen und gehen sehr schnell, doch die Grundformen bleiben recht lange bestehen. Und gerade in den letzten 2 oder 3 Jahrzehnten ist noch hinzugekommen, dass längst nicht mehr die breite Masse jeder Modeströmung nacheifert, sondern dass ganz verschiedene Modestile, Mode-Ausdrucksformen mehr oder weniger konstant nebeneinander her parallel existieren und gepflegt werden.
Schon in den 80ern wurde prophezeit, dass alle Moden irgendwie wieder kämen bzw. dass bestimmte, für sich klassifizierbare Moden nicht mehr völlig 'altmodisch' werden, sondern ihren Fortbestand zumindest in Form von Stil-Zitaten künftig haben werden.
So in etwa nehme ich das auch wahr.
So sehe ich das auch in dem, was man als 'aktuelle Mode' bezeichnet. Es existieren ganz viele verschiedene Modestile nebeneinander. Sicher, es werden auch Neuentwicklungen erschaffen. Gerade, was Materialien angeht, so gibt es mit Garnen, Gewebearten, Produktionstechniken, Farben, aber auch Formen und Schnitten immer wieder neue Impulse, die in der bisherigen Mode noch nicht existent waren. Dennoch fließen die unterschiedlichen Modestile und Mode-Epochen zumindest der letzten 6, 7 Jahrzehnte auch immer wieder mit in die 'aktuelle Mode' ein.
Insofern lasse ich mich gerne von den neuen Ideen der Modeindustrie inspirieren. Ich laufe da nur bedingt irgendwelchen Trends hinterher. Jedoch lasse ich für meine Geschmacksfragen mich auch immer wieder neu anregen und bilde mir eine neue Geschmacksbewertung dazu.
Natürlich, wer sich über die allmorgendliche Frage "Was ziehe ich heute an?" hinaus mit Kleidung etwas mehr beschäftigt -so wie ich -, der neigt auch eher dazu, sich von neuen Ideen beflügeln zu lassen. Insofern ist mein persönlicher Modegeschmack inzwischen deutlich erweiterter als er vor etlichen Jahren noch war. Was damals für mich vielleicht noch ein No-Go an mir war, liebe ich vielleicht heute. Mein Geschmack mag sicherlich variabler sein als Deiner.
Zeitgeist ist für mich Inspiration. Was ich davon für mich adaptiere, entscheidet mein Geschmack, der stetig leicht im Fluß ist. Und auf einen bestimmten Stil kann ich nicht pochen, weil ich viel zu neugierig bin, was für interessante Möglichkeiten es gibt, sich zu bekleiden.