Wir sollten hier sehr tolerant miteinander umgehen. LG Ludwig
Ja, das sehe ich genauso, Ludwig!
Du schriebest 'sollten', und genau das ist vollkommen richtig.
Denn zwischen Wunsch und Wirklichkeit liegen sehr oft noch immer ein paar Millimeter.
Eine Intoleranz ist nicht immer, dass jemand einem anderen etwas schlechtes wünscht. Eine Intoleranz kann durchaus auch aus den eigenen Fähigkeiten entstehen. Und nicht jeder ist in seiner eigenen, persönlichen Lage fähig, unendliche Toleranz walten zu lassen, so sehr er sich das auch wünschte.
Ich möchte ein bisschen werben um Verständnis, Einfühlungsvermögen, wenn jemand mit Ab- oder Ausgrenzungsverhalten reagiert. Denn in der Tat hat jeder seine eigenen Grenzen.
Und ich rede von Grenzen - also von der Mehrzahl.
"Leben und leben lassen!" ist eines meiner Lebensmotti. Dieser Satz strahlt soviel Kraft aus und Toleranz.
Jedoch ist nicht jeder so befähigt zu leben, wie er gerne leben möchte. Werde ich am Leben meines Lebens gehindert, ist es eine ordentliche Lerneinheit zu erkennen, den anderen das zuzugestehen, was mir verwehrt bleibt.
Und hier sind wir bei genau bei dem Thema Grenzen. Ich denke - und eigentlich trifft das nicht nur auf Rockträger/Kleidträger zu -, nahezu jeder hier im Forum, der mitliest oder mitschreibt, sieht sich selbst von zwei, sehr persönlichen Grenzen umgeben.
Die innere Grenze ist das, was die Freiheit betrifft, die man zugestanden bekommt, in der man sein Leben ausleben kann. Oft bestimmt das der Lebenspartner - hier meistens die Frau/Freundin -, das familiäre Umfeld, die Freunde, in bestimmten Fragen auch der Job, die Kollegen, der Chef. Innerhalb dieser Grenzen können wir alle uns relativ konfliktfrei ausleben, ja austoben.
Dennoch halten viele von uns sich sehr zurück, da diese innere Grenze einiges nicht mit einbezieht, was man eigentlich möchte, um sich, also sein Leben auszuleben. Sehr viele von uns möchten noch mehr sich 'austoben', um ihr eigenes Leben zu leben. Und das, was man sich so vorstellen kann, was die eigentliche Erfüllung seines Lebens sein könnte, das liegt irgendwo jenseits der inneren Grenze.
Glücklich sind die, deren Fernziel noch irgendwo im Grenzbereich der inneren Grenze liegt. Etliche von uns haben aber diese innere Grenze so eng bislang gezogen, dass noch nicht mal das Röcketragen in irgendeiner Form innerhalb dieser inneren Grenze liegt. Der Wunsch, sich auszuleben, liegt also deutlich ausserhalb der inneren Grenze.
Wo genau das Fernziel liegt, ist von Mensch zu Mensch ganz unterschiedlich. Es gibt einige Menschen, vielleicht auch hier im Forum, deren Fernziel ist vielleicht der ganz große Schritt, vollständig als Frau zu leben oder sich auch körperlich zur Frau anpassen zu lassen. Nur mal als Beispiel. Aber längst nicht jeder hier im Forum hat genau dieses Fernziel. Vielleicht will er als Fernziel als 'Divers' anerkannt werden. Vielleicht will er einfach nur Kleid oder Rock zur Auswahl haben, im Widerspruch dessen, wo er innerhalb seiner jetzigen Grenze bisher vielleicht nur auf das Tragen von Hosen festgeschrieben wird. Dieses Fernziel liegt irgendwo ausserhalb seiner inneren Grenze.
Es gibt aber auch Dinge, die er nicht möchte, auch nicht als Fernziel, und diese Dinge liegen ausserhalb der Grenze dessen, was er für sich und sein Leben individuell sich vorstellen kann. Also Fernziele, die nicht in Frage kommen, liegen noch weiter draussen; Fernziele, die in Frage kommen liegen innerhalb. Und die Grenze hier zwischen, das ist die individuelle äussere Grenze.
Diese äussere Grenze kann wiederum ganz viele Feinheiten beinhalten oder ausschließen. Als Beispiel möchte ich jetzt mal so Erscheinungen anführen wie Blumenmuster, Textilien mit Spitze, Rüschen, Volant, High Heels, Rosa, Glitzer, wallender Rocksaum, Mini, Spaghetti, etc. Diese Grenze kann durchaus etwas fließend sein, kann sich ändern, kann aber auch starr sein. Bei jedem verläuft diese
äussere Grenze ganz individuell.
Innerhalb dieser äusseren Grenze liegt alles, was man sich als Fernziel wünscht, um sein eigenes Leben so zu entfalten, dass man zufrieden sein kann darüber, dass man sein Leben auch leben kann.
Hat man irgendwann dieses Fernziel erreicht, dann ist der Leitsatz "Leben und leben lassen!" keine Herausforderung mehr.
Wenn nun jeder einmal in sich hineinschaut und nachfühlt, wie weit draussen ausserhalb der eigenen
inneren Grenze sein persönliches Fernziel liegt, der wird feststellen, dass vielleicht noch ein weiter Weg vor ihm liegen wird.
Dieser Weg ist die Herausforderung, mit der praktisch jeder von uns zu kämpfen hat. Will man ihn gehen? Hat man die Kraft für ihn zu gehen? Wann will man dorthin aufbrechen? Wie will man dorthin aufbrechen? Welche Stationen bezieht man ein auf diesem Weg? Was kostet mich dieser Weg, was verliere ich dabei?
Für viele wird es bewusst sein, dass dieses Fernziel wohl nur ein Traum bleiben wird. Gerade hier im Forum wird man immer wieder mal sehen, dass andere bereits dort sind, wo man selber am Fernziel noch liebend gerne hinmöchte. Von der Kenntnis darüber mögen vielleicht einige der Mitforisten die Energie bekommen, sich auf den eigenen Weg aufzumachen.
Und für viele, kann ich mir vorstellen, wird klar sein, dass das eigene Fernziel ein Traum ist und ein Traum bleiben wird. Vielleicht finden sie aber kleinere Fernziele, die für sie erscheinen, doch irgendwann mal erreichbar zu sein.
Und am besten ist, man nimmt auf dem Weg dahin seine eigene, persönliche
innere Grenze mit nach dort. Das heisst, Frau, Verwandtschaft, Freunde, der gute Ruf, etc., das muss alles mitgenommen werden auf den Weg, denn die bestimmen ja alle die eigene
innere Grenze, in der man den Freiraum findet, der einem zugestanden wird.
Vor dieser Herausforderung werden sehr viele von uns hier im Forum stehen. Und manch einer wird sich Mut anlesen hier im Forum. Und manch einer wird sichtbare Beispiele verwenden, um seinen Lieben zu zeigen, dass er nicht der einzige Mensch auf der Welt ist, der aus der
inneren Grenze sich aufmachen möchte. Aber die, die die eigene innere Grenze bewachen, werden vielleicht nicht so offenherzig reagieren, wie wir uns das wünschen würden. Es wird ein behutsames Vorgehen nötig. Manche haben schon längst, nein, noch immer aufgegeben, jemals aus den aktuellen inneren Grenzen herauszukommen. Manche machen es nur daheim. Manche nur heimlich.
Ja, manche werden auch die kleinen Fernziele oder Zwischenziele erkennen, die vielleicht noch mit harter Arbeit erreichbar werden könnten, und da tut sich dann sogar noch eine mittlere Grenze auf, zwischen dem, was man schon hat (
innere Grenze) und dem, was man gerne hätte (
äussere Grenze). Innen ist das Haben, ganz aussen das Soll, und in der Mitte ist die Kompromisszone, die aber vielleicht noch realistisch werden kann.
All das verursacht innere Zerissenheit. Innere Zerrissenheit, weil all diese Grenzen eigentlich nur jene Grenzen sind, die mit einem selbst, mit seinem innersten Inneren zu tun haben.
Jetzt haben wir noch gar nicht wirklich nach außen geschaut. Welche Grenzen gestatten wir anderen. Mit "Leben und leben lassen" können wir gar nicht so unverkrampft umgehen, weil unser eigenes Leben ja schon unter Kämpfen und Krämpfen leidet.
Wer der anderen hilft uns innerlich, unsere Kraft aufzubauen? Wer steht eher im Wege, weil er als Beispiel in Erscheinung tritt, wo ich niemals hin will, wo es für meine inneren Grenzwächter zuviel Kraft kostet, weil sie
befürchten, dass genau dort ich hin wollte.
Diese innere Zerrissenheit sucht nach Haltepunkten. Haltepunkte, die man als Kraft spendende Hilfen akzeptiert, ja befürwortet. Man versucht, eine kraftspendende Gemeinsamkeit zu erkennen. Und diese Gemeinsamkeit ist vereinnahmend. Ja, das ist mein Stil! Da will ich hin! Ich bin froh, dass ich im Forum sehe, dass es Menschen gibt, die zumindest manchmal das verkörpern, was ich auch gerne sein möchte, ja oder schon bin. Diese Sympathien bedeuten, dass eine erneute Grenze sich auftut. Nämlich jene Grenze, wo man noch Gemeinsamkeiten ausfindig machen kann, aber jenseits davon, wo automatisch eine innere Abgrenzung sich aufbaut, nämlich zu jener Ausgestaltungsmöglichkeit, die man als ein 'Never-Ever' für sich definiert. Ausserhalb dieser neuen Grenze, die ganz draussen liegt - ich habe noch keinen Namen dafür - findet man dann all jene Erscheinungsformen, die man für sich
nicht akzeptiert, man grenzt sich demgegenüber ab. Man grenzt aus.
Das mag weh tun. Ist aber ein ganz natürlicher Prozess. Da kann man kaum etwas dagegen machen.
Auch der Aufruf, doch bitte tolerant zu sein, hilft da nur begrenzt weiter. Weil das Herz in einem selbst innerlich am Bluten ist, ist die Kraft, anderen willkommen zuzuklatschen, begrenzt. Es gibt Menschen, die wollen mit irgendeinem anderen Menschen nicht zusammen gesehen werden, nicht weil sie diesem anderen etwas böses tun möchte, sondern weil man nicht mit diesem anderen 'in einen Topf' gesteckt werden möchte. Es würde zuviel Kraft kosten, seinen Grenzwächtern an der
inneren Grenze zu erklären, dass außer Sympathie kein weiterer Bezug zwischen einem selbst und dem anderen besteht. Am Ende verstehen die Grenzwächter Dein offenes Herz nicht und sie riegeln
Deine innere Grenze noch mehr ab. Ja, Ausgrenzung tut weh, ist aber oftmals nur ein verzweifelter Hilfeschrei. Weil, man kann nicht anders. Man ist gefangen in seinen Grenzen, in den Grenzen seiner Grenzwächter, man würde vielleicht gerne anders, aber es fehlt die unerschöpfliche Kraft dazu.
Die neue aufgetane Grenze, die da ganz draussen, die noch weiter draussen ist als die eigene, persönliche
äussere Grenze, ich glaube, ich nenne sie Wohlfühlgrenze.
Innerhalb der Grenze da ganz draussen, der
Wohlfühlgrenze, da ist es noch behaglich, noch zu ertragen.
Ausserhalb dieser Wohlfühlgrenze fängt an, das Unbehagen überhand zu nehmen, es wird auf einmal recht schwer, noch zu ertragen.
Bitte, Freunde, nehmt mir nicht übel, wenn ich hier um das Verständnis werbe, zwischen
Wohlbehagen und
Unbehagen zu unterscheiden. Ich denke, die wird es bei nahezu jedem von uns irgendwo geben, und sei das Herz noch so offen.
Diese
Wohlfühlgrenze ist bei jedem ganz individuell gestrickt. Ich finde, sie ist legitim. Denn auch uns ist unsere Kraft mit uns selbst, mit unseren Mitmenschen und mit unserem Leben nur endlich.
"Leben und leben lassen!", schön wär´s, wenn es uneingeschränkt funktionieren würde.
Und diese
Wohlfühlgrenze ist wie gesagt bei jedem ganz individuell gestrickt. Eine generelle Wohlfühlgrenze für das Forum zu definieren, ist möglich, aber vielleicht nur für einige von uns hilfreich. Für andere wiederum würde sie ins Fleisch schneiden, jedenfalls die eigene, persönliche, individuelle Wohlfühlgrenze vielleicht beschneiden.
Wer sich anmelden darf und wer sich wie äussern darf, das bestimmt letztlich die Forumsleitung. Wer sich wie einbringen kann und will, das muss jeder für sich selbst entscheiden. Es ist wie im normalen Leben, jeder trägt Verantwortung für sich selbst: was Kleidung angeht, er muss entscheiden, was er zuhause anzieht, was er auf der Straße trägt, was er zur Familienfeier trägt, was in Beruf, zum Meeting. Und mit all den Reaktionen, die es hervorruft, muss jeder selbst umgehen. Wer sich weit hinauslehnt, der bekommt vielleicht auch viel Wind ab. So war das schon immer, da ist nicht zuletzt auch ein Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält.
Nicht alles schmeckt uns, nicht alles schlucken wir. Wir müssen uns aber auch nicht über alles aufregen, nicht alles ausspucken.
Liebe(r) Michael(a), nein, ich persönlich will Dir nicht vorschreiben, ob Du Dich zu feminin zeigst. Ja, Du hast Dich gezeigt ausserhalb meiner Wohlfühlgrenze. Ganz ehrlich, ich wollte nicht uneingeschränkt mit offenem Herzen so mit Dir durch meine Stadt gehen. Ich stehe dafür ein, dass Männer Röcke und sonstwas tragen können, ohne sich verstecken zu müssen, ohne in den eigenen vier Wänden bleiben zu müssen, ohne sich hinter einer Fassade von Weiblichkeit verschanzen zu müssen. Ich denke, das wollen einige andere hier auch am liebsten. Und ich denke, was diese Strömung angeht, ist auch bei Dir noch nicht 'Hopfen und Malz' verloren. Ich will Dich nicht mit Gewalt missionieren. Aber freuen würde ich mich, Deine Flucht in die äussere Weiblichkeit gelegentlich zu hinterfragen. Und ich muss noch lernen, dass man sich an Körperstellen polstern kann, weil eben das Kleid da noch Volumen übrig hat. Eigentlich liess ich bislang solche Kleider dann einfach im Geschäft hängen. Michael(a), genieße den Wind, der hier gelegentlich bläst... Laß Dich nicht wegblasen.