Autor Thema: Was macht Kleidung mit uns?  (Gelesen 6774 mal)

Offline Matthias

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Was macht Kleidung mit uns?
« am: 29.03.2021 00:20 »
Ich werfe die Überschrift mal in den Raum und bin gespannt!

Was macht Kleidung mit uns?


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JoHa

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Antw:Was macht Kleidung mit uns?
« Antwort #1 am: 29.03.2021 00:41 »
Kleider machen Leute. Aber welche Kleider, welche Leute?
Wenn ich mich anziehe, dann gibt es zwei Alternativen, nämlich Hose oder Rock. Bei der Auswahl "Hose" ist viel von vornherein durch jahrzehntelange Routine festgelegt.
Interessanter ist die Alternative "Rock".
Da frage ich mich, wen ich treffen werde, wie ich wirken werde. Ich wähle also aus. Ich bin mir meiner Wahl bewusst. Und genau so trete ich dann im Rock auf, bewusst, männlich, gut aussehend im Rahmen des Möglichen; also dressed for success.
Der Griff zum Rock ist die alternative Wahl. Ich beziehe Position.
Die Kleidung, sofern sie einen Rock umfasst, ist ein Signal für die Welt: Ich bin ich; egal, was ich trage.
Mit Hose bin ich Teil der Menge.

Offline Skirtedman

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Antw:Was macht Kleidung mit uns?
« Antwort #2 am: 29.03.2021 03:49 »
Zunächst mal JoHa Danke, für Deine klare Antwort.

Auch ich kann schlecht sinnieren, was "Kleidung mit uns macht", vielmehr kann ich wie JoHa auch eher drauf eingehen, was "Kleidung mit mir macht".

Da ich zu den Vielschreibern hier im Forum zähle, bin ich zuversichtlich, dass ich noch das ein oder andere dazu beitragen werde. Drum beschränke ich mich erst mal auf einen kurzen Blick in meine Kindheit:

Was machte Kleidung mit mir als Kind / Jugendlicher?

Ja, ich kann die Kindheitsphase und die ersten Jahre als Jugendlicher zusammenfassen, denn kleidungstechnisch ergab sich da in beiden Phasen keine grundlegende Veränderung.

Ich hatte zwar verstärkt den Drang zu Röcken an mir entdeckt und es gab auch schon einige Episoden im frühen und mittleren Kindesalter mit Röcken. Doch mehr oder weniger war das etwas totgedrücktes, später in dieser Phase totgeschwiegenes, verheimlichtes.

Ausserhalb dieser Rockepisoden, also in 99,99 % der oben beschriebenen Zeitspanne war Kleidung für mich etwas notwendiges, was schützendes, was wärmendes. Ich musste über viele Jahre lernen bis ich es verinnerlicht hatte, dass, wenn ich nach Hause kam, mir die Hauskleidung anziehen sollte und auf diese Weise lernte ich, die Alltagskleidung für draussen wertzuschätzen als etwas, dessen Wert erhalten werden soll.

Das habe ich bis heute verinnerlicht. Es kommt ganz selten vor, dass ich nicht 5 Minuten nach dem Nachhausekommen mir die Hausklamotten angezogen habe. Andererseits verstehe ich nun nicht mehr, dass andere Menschen ihre 'Draussen'-Kleidung zum Putzen oder Kochen anziehen ('muss ja eh gewaschen werden'), oder gar diese frisch anziehen, putzen oder kochen und dann erst damit rausgehen.

Also eine gesteigerte Wertschätzung meiner Kleidung habe ich in meinen ersten so 15, 17 Lebensjahren kennengelernt.

Ganz besonders gestört hat mich damals aber, wenn Kleidung so eng war; mehrere Sachen übereinandergezogen dann dick und unbequem wurden.

Ansonsten habe ich mich um Kleidung überhaupt nicht gekümmert. Mir war es dann eher lästig, wenn ich mit meiner Mutter in die Stadt zum Klamottenkaufen gegangen bin, hab es aber recht unbeteiligt über mich ergehen lassen, wie ich überhaupt in Sachen Kaufentscheidung, Kleidungswahl ich über mich ergehen lassen habe. Im Grunde war ich da praktisch vollkommen teilnahmslos. Ich glaube zwar, dass ich da gar nicht so grundverschieden zu anderen Jungs in meinem Alter war (wir reden so von den 70er, Anfang 80er Jahren). Grundverschiedenen zu vielen Jungs war vermutlich, dass mir bis mindesten 16, 17 Tag für Tag, also immer, meine Mutter mir die Kleidung rausgelegt hat, die ich anziehen sollte.

Ausser, dass ich sie anzog und nach dem Nachhausekommen wieder auszog, war ich in puncto Kleidung ganz teilnahmslos.

Ich bin mir sicher, hätten mir Röcke oder Kleider ganz selbstverständlich zur Verfügung gestanden, wäre ich mit einer ganz anderen Haltung an das Thema Kleidung herangegangen.

Spätestens als ich dann den ersten Rock hatte (ja, und ich glaube, das war mit Abstand auch das erste Kleidungsstück, das ich mir selbst gekauft und ausgesucht habe), fing sich dann allmählich an, was ganz wunderbares zu entwickeln. Inzwischen macht Kleidung mit mir also wesentlich mehr. Aber das will ich wann anders mal zum Thema für einen Beitrag machen.

Offline MAS

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Antw:Was macht Kleidung mit uns?
« Antwort #3 am: 29.03.2021 08:43 »
Sie kleidet uns!

LG, Micha
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Offline HCG

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Antw:Was macht Kleidung mit uns?
« Antwort #4 am: 15.06.2021 20:04 »
Klar macht das was mit uns, wie wir uns kleiden. Ich muss mal etwas ausholen...

Fast die ganze Menschheitsgeschichte ist dadurch geprägt, dass bestimmten Gruppen durch Kleidung ein bestimmter Wert oder eine festgelegte Rolle zugewiesen wurde.

Bis in die Zeit der Französischen Revolution waren bestimmte Farben dem Adel vorbehalten.
Noch im Mittelalter durften Bauern ausschließlich die Farben braun und schwarz tragen.

Die Hose in unserem heutigen Schnitt gibt es erst seit gut 200 Jahren.

Es gibt weltweit wohl keine Gesellschaft, die mit bestimmten Kleidern nicht irgendeine gesellschaftliche Rollen-  oder Wertzuweisung verknüpft. Insofern müssen wir uns nicht zu sehr daran stoßen, dass wir mit einem Rock bekleidet oftmals als „Mann in Frauenkleidern“ wahrgenommen werden. Im Gegenteil: hier ist das überhaupt möglich, ohne ernsthafte Probleme. Ich möchte es mal in Weißrussland versuchen…

Aber Kleidung „macht“ nicht nur deshalb etwas „mit uns“, weil sie uns in eine bestimmte „Ecke“ unserer sozialen Umgebung platziert. Sie wirkt auch auf uns, wenn wir allein sind.

Viel früher als den Rock entdeckte ich das Cape als neue „Daseinsform“. Während Röcke mich noch völlig unberührt ließen, eher als modisches „Accessoire“ für Frauen empfunden wurde, wie Ohrringe, Wimperntusche, oder Haargummis, die mich überhaupt nicht interessierten, war das Cape schon für mich als Kind ein geheimnisumwittertes Ding. DAS machte was mit mir.

Von ersten zaghaften Versuchen, es zu tragen, bis zu dem Punkt, an dem ich begann, nichts anderes mehr zu tragen (außer an heißen Sommertagen, versteht sich), vergingen drei Jahrzehnte. Das ist nun wiederum knapp 20 Jahre her. Es war die erste wirklich ernsthafte Entscheidung zu der Frage: wie sehe ich mich und wie will ich gesehen werden? Ich bin etwas Besonderes und werde als etwas Besonderes wahrgenommen. Das war in sich stimmig und hat mich kaum Mühe gekostet.

Bei Capes und Röcken gibt es indes einen Unterschied. Capes haben nie eine Zuweisung ganz allein  als Frauenbekleidung gehabt. Auch wenn sie heute von praktisch gar keinem Mann getragen werden, bleibt da immer noch eine „Tür offen“. Es ist halt „very old fashioned“, aber nicht „weiblich“.

Ein Cape ist wie ein Haus, es schützt sehr gut vor allen möglichen Einflüssen. Je nach Schnitt kann es etwas komplizierter sein, etwas zu tun (nach hinten greifen geht gar nicht), aber wenn ich nichts tun muss ist es auch viel bequemer als irgendein anderes gleich gut schützendes Kleidungsstück.

Ein Rock schützt eher nicht, finde ich. Gerade kürzere Röcke erinnern uns doch immer wieder daran, dass die Schamregion vor Blicken geschützt sein will. Also „knees together“ oder zumindest blickdichte Strumpfhosen oder oder. Man muss halt dran denken… Die Hose lässt einem alle Freiheiten, sieht aber meistens blöd aus (mein Geschmack).

Lange Röcke schützen besser – um einen hohen Preis: sind sie weit, sehen sie oft aus wie Säcke; sind sie eng, ist es mit vielen Aktivitäten vorbei. Das Fahrrad wird zum Problem beim Aufsteigen, der Motorroller spätestens beim Anhalten (es geht, ich fahre gerne Motorroller, aber man muss halt vorher überlegen, wie). Ich finde es durchaus reizvoll, mit meiner Schrittlänge haushalten zu müssen, aber nach längerer Zeit kann es auch nerven.

Ich weiß nicht, wie es Euch geht – ich habe schon von Natur aus relativ breite Hüften und dennoch: eng geschnitten sitzen die Röcke dort entweder zu weit, oder am Bund zu eng. Ich habe schon einige ein wenig abnähen müssen, was meistens aber kein Problem darstellt. Wenn ein Rock richtig gut sitzt, macht er schon deutlich mehr Spaß, als eine Hose, nicht war?
Wer den Rock nicht wagt, sollte auch beim Rock'n Roll vorsichtig sein!


 

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