Lieber Micha,
als Erzieher komme ich tagtäglich mit dem Regenbogen in Berührung, insbesondere kleine Mädchen tragen ihn auf der Kleidung oder malen ihn gerne, aber auch bei vielen Jungen ist er sehr beliebt. Die meisten Kinder nennen "Regenbogenfarben" sogar als ihre Lieblingsfarbe. Viele Kindergärten haben den Regenbogen als Teil ihres Logos und deuten ihn als Zeichen der Diversität, was als eine der Grundsäulen in der Pädagogik gilt und Diversität/Diversity hier im Allgemeinen für Vielfalt steht, weil jeder Mensch einzigartig und wertvoll ist und wir die Lebenswelt eines jeden Individuums ernst nehmen. Deswegen finde ich deine Interpretation des Regenbogens sehr schön, weil es den inklusiven Gedanken aufgreift, um den Grundstein für eine friedliche Ko-Existenz verschiedener Lebensentwürfe zu zelebrieren.
Zu Muslimen und Queerness hatte ich letztens eine schöne Situation: Bei uns in der Kita gibt es ein kleines Mädchen und ihre Familie hat einen türkischen Migrationshintergrund. Sie lebt bei ihrer Mutter, weil ihre Eltern geschieden sind. Ihre Mutter ist immer sehr auffällig gekleidet und kommt meinem Modegeschmack sehr nahe. Witzigerweise trägt ihre Tochter des Öfteren ähnliche Girlie-Motivshirts wie ich und ruft dann ganz laut: "Hey, so ein T-Shirt habe ich auch!", um ihre Freundinnen anschließend aufzuklären, welche Figur da drauf ist. Sie betont stolz, dass sie Muslima ist, weiß viel über ihre Religion, aber feiert beispielsweise auch Weihnachten, weil die Familie einen liberalen Glauben praktiziert. Letztens hatte sie ein Poesiealbum dabei, in dem sie eine Seite mit verschiedenen Flaggen gemalt hatte. Sie erklärte mir, für welche Länder sie stehen. Beispielsweise auch die Palästinaflagge, bei der sie ihr Bedauern über den Krieg ausdrückte, weil da viele Menschen sterben. Die Eltern hatten ihr eine neutrale Sicht vermittelt, die von Mitgefühl für die Opfer geprägt war und für keine Seite Partei ergreift. Neben den ganzen Länderflaggen hatte sie auch eine Regenbogenflagge gemalt und sagte zu mir: "Das ist die Regenbogenflagge. Das heißt, ein Mann darf einen Mann heiraten und eine Frau darf eine Frau heiraten. Es gibt nicht nur Hochzeiten mit Mann und Frau." Mich hat diese Begegnung ziemlich beeindruckt, weil das Kind für ihr Alter schon sehr aufgeklärt war.