Hallo Männerrockforum,
ich will mich mal kurz vorstellen: Ich bin fast 31 Jahre und lebe in Berlin. Ich habe schon seit einigen Monaten still mitgelesen, aber nicht viel zu sagen gehabt -- naja, ab und zu hat's mir in den Fingern gejuckt, aber ohne vorherige Vorstellung wollte ich dann doch nicht schreiben.
Jetzt hielt ich es aber für fair, mal der Community meine Erfahrungen mitzuteilen, die ich mit meinem sporadischen aber hoffentlich bald häufigeren Rocktragen gemacht habe.
Mein erster Rock
Meinen ersten Rock habe ich wohl 1995 oder 1996 getragen. Bestimmt habe ich auch als kleines Kind, wie man es eben so macht, mal Muttis Kleiderschrank inspiziert, aber da eher aus Jux und Dollerei. Den Rock hat mir meine damalige Freundin geschenkt, er war ihr zu weit, war ein Rock ihrer Großmutter, ein Wickelrock aus Tartan oder tartanähnlichem Stoff. Hatte also Ähnlichkeit mit einem Kilt, weswegen ich es damals 'vertreten' konnte, ihn zu tragen. Habe ich aber selten gemacht, zumeist zuhause. Als 1999 dann jemanden kennenlernte, der selber den ganzen Sommer über in sowas Kiltähnlichem rumlief, habe ich den dann auch mal draußen angezogen. Da ich zu der Zeit mit Liverollenspiel angefangen habe, gab es einige Gelegenheiten, ihn zu tragen -- bis mein Selbstbewußtsein einen Knacks bekam, als mir jemand sagte, daß es ein 'Minikilt' sei, also eigentlich zu kurz für mich. Ich habe ihn 2002 ausgemustert und einer Freundin geschenkt, die ihn wohl noch gelegentlich trägt.
Mein zweiter Rock
Mein zweiter Rock war dann ein selbstgefertigten Bahnenrock (glaube jedenfalls, daß es solch einer ist -- er ist aus sechs trapezförmigen Stoffstücken gefertigt), der auch gut als sog. Clubwear durchgehen könnte. Mit dem bin ich dann 2002 ein paar Mal auf die Straße gegangen. Abgesehen von einer milden Aufregung mit diesem nicht ganz alltäglichen Kleidungsstück erinnere ich mich leider kaum an die Resonanz auf der Straße. Mein Freundeskreis jedenfalls war 2003 dezent amüsiert, als ich auf eine Geburtstagsfeier mit dem Rock kam; unter anderem waren auch einige recht konservative Jurastudenten dabei :-). Das Zentrum des Interesses war ich jedenfalls nicht, denn besagte Freundin, die meinen Kilt geerbt hat, hat auch einen recht ansprechendem Körperbau und zu der Feier trug sie neben einem ziemlich knappen Minikleid auch noch hohe Schuhe -- die Männerwelt hat sich dann doch mehr um sie geschart ;-).
Da der Rock tiefschwarz ist, war er für mich nicht sonderlich geeignete Sommerkleidung, ich bevorzuge in der warmen Jahreszeit dann doch eher helle Stoffe. Deswegen landete er im Kleiderschrank und blieb dort bis 2007. Zwischendurch bin ich zweimal innerhalb von Berlin umgezogen und habe ihn mal anprobiert, um zu schauen, ob es sich lohnt, den Rock mit umzuziehen. Dabei ist mir dann doch ein eklatanter Designfehler aufgefallen: Ich hatte keinen Verschluß in Form von Knöpfen, Reißverschluß oder Bändsel angebracht, man zieht ihn einfach über den Hintern und befestigt ihn mit einem Gürtel. Mittlerweile und mit 15 Kilogramm mehr sitzt er doch sehr ... knackig. Aber paßt noch.
Der nächste Rock
Jedenfalls gab es Sommer 2007 mal eine nette Runde hier bei mir, wo das Thema aufkam und ich habe den mal rausgeholt und schaugetragen. Ein Freund meinte daraufhin, daß er sich schon länger einen holen wollte, was er dann auch gemacht hat, allerdings einen langen Gothic-Rock mit Schnallen und Riemen und so. Dem Alter fühle ich mich doch mittlerweile entwachsen. :-) no offense! Wer meines Alters oder höher ist und immer noch Teil der Gothic-Szene ist, kann das gerne tun, nur für mich ist das nichts mehr, war es auch nie wirklich.
Mit dieser erneuten Anprobe und einem seit Jahren aufgestauten Frust über die Langweiligkeit der Herrenmode entstand dann doch das Bedürfnis, mal was anderes zu machen. Nur: Was? Alles selber schneidern scheitert an mangelnder Ausrüstung und Motivation. Also schaut man sich um und guckt, wo denn nicht solche Tristesse herrscht, wo größere Auswahl vorhanden ist. Zwangsläufig landet man dann bei der Damenmode, die ein Vielfaches der Herrenmode umfaßt. Doch einfach Frauenklamotten anziehen kam eigentlich gar nicht infrage. Doch warum eigentlich nicht? Nebenan ist eine WG, da wohnen zwei Lesben, die die ganze Zeit in Baggy-Jeans mit Shorts drunter rumlaufen. Warum sollten sie sich einfach in der Herrenabteilung bedienen können, wenn ich als Mann das nicht auch in der Damenabteilung machen kann?
Ich habe dann angefangen beim Bummeln auch mal Abstecher in die Damenabteilung zu machen und mich dort umzuschauen. Da fiel mir auf, daß es doch gar nicht wenig Klamotten gab, die von maskuliner Prägung waren, aber eben in Form von Kleidern oder Röcken. Streng genommen fiel mir das sogar schon im Herbst 2006 auf, als ich auf der Suche nach einem Paar Stiefel war für eine Rolle im Rahmen eines Live-Rollenspiels. Für Herren findet man ja überhaupt keine Stiefel, die tendenziell Richtung Knie gehen :-(. Also rumgesucht und bei Schuh Kauffmann fündig geworden. Habe mir dort ein nettes Paar brauner Stiefel im Reiterlook für EUR 199,-- gekauft, die ich immer noch gerne trage. Anfangs ein wenig eng, doch mit Gewalt kriegt man auch das Problem gelöst. Nach einem Jahr regelmäßigen Tragens hört man jedoch immer noch die Fragen nach meinem Pferd -- schon komisch, Mädels mit solchen Stiefeln werden bestimmt nicht nach ihren Pferden gefragt -- seufz. Jedenfalls waren die Stiefel weder vom Look noch vom Schnitt her ansatzweise feminin. Und sowas muß es doch auch bei der restlichen Damenbekleidung geben. Tut's auch. Habe bei C&A dann ein nettes Modell gesehen, knielang, wollte aber keine EUR 25 dafür ausgeben. Vor allem hatten sie ihn zwei Monate später dann im Rahmen des SSV auf EUR 12 herabgesetzt. Da habe ich dann zugeschlagen.
Komischerweise ist es mir doch etwas anderes, mich mit einem in der Damenabteilung gekauften Rock auf die Straße zu trauen als mit einem 'echten, harten und maskulinen' Männerrock. Ich habe den Rock erstmal zuhause 'eingetragen' und mich daran gewöhnt. Als dann meine Partnerin mal auf Lehrgang war und ich Besuch von einer Freundin und einem Freund hatte, sind wir wieder mal auf das Thema gekommen und sie wollte, daß ich den gleich mal anprobiere. Begeisterung ist zwar anders, aber sie fand ihn nicht grundlegend schlecht. Ich solle doch aber bitte eine dunkle Strumpfhose drunter tragen.
Reaktion meiner Partnerin
Meiner Partnerin habe ich den Rock erst einige Wochen später vorgeführt, als wir von einer Party wiederkamen, wo eine gemeinsame Freundin uns erzählte, wie toll sie Männer in Röcken fände. Das war wohl der kleine Schubser für das Selbstbewußtsein, den ich brauchte (eigentlich erbärmlich, aber so ist das eben). Ihr Kommentar: "Mein Mann ist ein Mädchen!" und "Mein Mann will ein Mädchen sein!" Jippieh! Es geht doch nichts über Partnerinnen, die einen ermutigen, aufbauen und unterstützen!
Aber: Ich neige manchmal schon zu Trotz -- insofern ist das gar nicht so abwegig mit dem 'Mädchen' ;-). Also habe ich den Rock dann bei fast jeder Gelegenheit zuhause getragen. Sie findet es nicht schön, aber es verursachte natürlich die ganzen Diskussionen
- "Männer tragen keine Röcke!" ("Ja, warum tragen Frauen denn Hosen? Ach? Es hat sich also so 'entwickelt'?")
- "Bei Frauen ist das was anderes!" ("Wieso sollte es?")
- "Du siehst damit zu weiblich aus!" ("Du siehst in Hosen auch sehr männlich aus.")
Aber am besten gewirkt hat, als ich sie fragte, ob sie jetzt verstehen könne, welche Gefühle den ersten hosentragenden Frauen entgegenschlugen. Da lächelte sie sehr verlegen und gab mir recht. Toll findet sie es immer noch nicht. Sie toleriert es. Ob sie es akzeptiert, weiß ich nicht, aber ich vermute, sie tut es nicht. Sie kommt wohl doch aus einer recht konservativen Familie, wo die Mutter doch tatsächlich schon mal wegen meiner Stiefel mit ihr gesprochen hatte.
Ihr Fazit: "So gehe ich nicht mit Dir auf die Straße!"
Dennoch an der Stelle ein herzliches Dankeschön an alle, die mich mit Argumenten und Ermutigung versorgt haben, bevor ich sie brauchte.
Das erste Mal auf der Straße mit dem Rock
Sagte ich, daß ich trotzig sein kann? Ich hatte in Bezug auf erwähntest Live-Rollenspiel vor zwei Wochen mit zwei Mitspielerinnen zu reden. Danach sollte ich mich mit meiner Partnerin treffen. Was will sie schon machen, wenn ich den Rock schon anhabe?
Am Tag vor dem Treffen hat mich doch das Muffensausen gepackt. An dem Tag jedoch nicht. Müllbeutel genommen, zum Müll gebracht, weiter zur Bank und von dort zur S-Bahn. Nicht nervös umschauen und rein. Ging wunderbar. Was bei allen Erzählungen von Euch und anderen nie rüberkommt, nicht wirklich nachempfunden werden kann, ist die Gleichgültigkeit, mit der man wahrgenommen wird. Klar schauen die Leute, aber meist nur kurz und dann ist auch gut. Klar gibt es mißbilligende Blicke. Das habe ich auch meinen beiden Mitspielerinnen gesagt, wo sie nur aufseufzten und mir erzählten, daß es ihnen doch sehr ähnlich ginge. Dazu muß man sagen, daß die beiden recht linksalternativ sind, die eine ist so eine kleine Zecke (Selbstbezeichnung), die mal mit blaßrosa, mal mit blauen Haaren rumläuft. Und ich denke auch, daß die Mißbilligung, die man erfährt, eigentlich nichts anderes ist, als die, die Frauen auch untereinander erfahren. Ihr wißt schon, die ganzen bösen Sprüche von "daß sie sich das traut! Mit der Haut würde ich das ja nicht machen" bis zu "die muß es ja nötig haben, wenn sie mit so einem Ausschnitt rumrennt!" Erweitert man sein Bekleidungsrepertoire also jenseits allen Unkritischen wie Jeans, T-Shirts, Anzüge, Sportschuhe und Halbschuhe, setzt man sich nur der Kritik aus, mit der Frauen eh schon seit Jahrzehnten umzugehen gelernt haben. Vielleicht liegt es auch daran, daß das männliche Ego allgemein schlechter mit Kritik umgehen kann.
Die beiden kamen jedenfalls nicht mehr runter davon, mir zu sagen, wie sehr sie auf mein Outfit stünden. Streicheleinheiten, fein! Nach dem Treffen dann mit meiner Partnerin getroffen, sie erstmal kein Kommentar zu meinem Outfit gemacht. Erst als wir wieder fast zuhause waren, meinte sie, daß es ja total peinlich sei, mit mir auf der Straße gesehen zu werden. Ich glaube, sie akzeptiert es doch noch nicht :-). Naja, da muß sie durch. Als Trennungsgrund sieht sie das glücklicherweise nicht. Und zu der Strumpfhose meinte sie sogar, daß sie jetzt verstünde, warum Männer Strumpfhosen an Frauen so gern haben, während sie mir das Knie streichelte: Es fäßt sich einfach toll an. :-)
Neben dem Müll runtertragen habe ich aber dennoch relativ selten den Rock auf der Straße an. Heute erst wieder, diesmal mit hautfarbener Strumpfhose zu den Stiefeln. Aber da ich nicht auf die Art der Reaktionen geachtet habe (weil ich auch möchte, daß sie mir egal ist), weiß ich nicht wie es ankam. Ich weiß nur, daß sie reagiert haben: Sie haben mir hinterhergeschaut, sich nach mir umgedreht, die zwei Damen hinterm Postschalter haben getuschelt und in meine Richtung geblickt -- aber kein Kommentar.
Soviel also von mir und liebe Grüße aus Berlin
Masin
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